Ein Sprung aus 4,5 Kilometer Höhe

In die zwei skandinavischen Jungs, die ich in Nelson getroffen habe, hatten neben ihrem Vorzug als hervorragende Silvesterpartygesellschaft noch einen anderen Einfluss auf mich: sie überredeten mich Skydiving auszuprobieren. Ein Sprung aus dem Flugzeug, eine Minute freier Fall und dann eine Landung mit einem Paragleiter. 

Der nächste Ort an dem man das hätte tun können, war Franz Josef und ich bekam auch preislich ein super Angebot, sodass die Vorfreude wuchs. 'Skydive Franz' bot Sprünge aus bis zu 19000ft an (~5,8km) und ich hatte eine wunderschöne Zeit: 10 Uhr am Morgen. Aus wettertechnischen Gründen wurde der Sprung jedoch gekänzelt und auf den Abend verschoben, sodass wir die Zeit noch für eine kleine Wanderung nutzten. Was ich da noch nicht wusste, war, dass das erst der Anfang eines wahren Marathons war, denn das Wetter blieb unberechenbar. Am Tag danach hatte ich ganze vier mögliche Sprünge, die alle abgesagt wurden, sodass ich den Tag auch irgendwie verschenkt habe. Ich bin nicht gesprungen, aber ich konnte auch nicht wandern gehen, weil ich ja erreichbar sein wollte, wenns doch irgendwie klappt. Letzter Versuch war an Tag drei am Morgen. Als ich anrief um nach den Wetterbedingungen zu fragen, hieß es, ja, es wird definitiv gesprungen. Wow,  endlich! Im  shuttle zum Flugfeld saßen noch acht andere, Skye,  die mit mir auf die 19000ft gehen sollte und der Rest auf 16000ft bzw 12000ft. Der Hangar war riesig und wir bekamen eine Sicherheitseinweisung, Stifte,  um uns etwas auf die Hände zu schreiben (für die Kamera) und die ersten bekamen ihre Jumpsuits. Und natürlich waren wir alle furchtbar aufgeregt – für alle war es das erste Mal. 

 

Die check-in-Zeit war 7:30 gewesen, mittlerweile war es schon eine Stunde später und noch immer war keiner wirklich fertig zum springen. Die Sonne kletterte immer höher und mit ihr kam der Nebel. Skye und ich wussten, dass wir erst im dritten Flugzeug sein würden und so kamen wir nicht umhin, zu wünschen, dass langsam mal Bewegung in die eigentlich wirklich kleine Crew im Hangar kommt. Endlich ging es für die erste Gruppe los und wir konnten uns draußen auf Bänke am Landeplatz setzen um ihren Sprung anzuschauen. Das Flugzeug landete ca. zeitgleich mit den Springern, aber wieder gab es eine ewig lange Pause, bis die nächsten für ihren Sprung fertig gemacht wurden.

 

Und dann kam die Meldung: Das Wetter ist zu schlecht zum springen! Autsch.. Ich mein, wir haben die Wolken kommen sehen, aber es war immer noch viel klarer als an den anderen Tagen und da hieß es auch immer, es könnte sein, dass wir springen. Die Vorbereitungen gingen aber erstmal noch ganz normal weiter, denn wir sollten einfach nur noch etwas warten. Skye und ich bekamen sogar schon unsere Jumpsuits und konnten es eigentlich kaum mehr erwarten (die ewige Warterei war wirklich das schlimmste). Doch dann kam die finale Meldung: alle Sprünge für den heutigen Tag wurden gekänzelt und wir wurden mit dem shuttle zurück nach Franz Josef gebracht. 

 

 

 

Man kann sich unsere Stimmung vorstellen, als wir in Franz Josef ins Auto umstiegen. Wir konnten nicht länger bleiben, wir hatten ein Hostel in Hawea und Grace musste auch so schnell wie möglich weiter, denn sie hatte ein Jobangebot an der Ostküste bekommen. Der nächste Skydive-Platz, an dem wir vorbei kamen war Fox Glacier, aber ein kurzer Anruf und wir wussten, auch hier wuerde heute nicht gesprungen werden. Je südlicher wir drei (Skye war bei dieser Fahrt mit an Board), desto schöner wurde das Wetter. Die Sonne schien und die Landschaft war unglaublich! Das hob die Stimmung aber nur bedingt, denn schönes Wetter hieß, es wäre möglich zu springen und das konnten wir ja nicht.

 

Aber auch in Wanaka konnte man Skydiven, also machte ich einen letzten Versuch auf der Südinsel und buchte für zwei Tage später einen Sprung aus 15000ft Höhe (ca. 4,5km). Das kostete zwar ca. dasselbe wie mein hoher Sprung in Franz Josef, weil ich da einen echt guten Deal erwischt hatte, aber das wars mir wert. Das Wetter an dem Morgen (ich hatte wieder einen frühen Sprung, mein shuttle hat mich um 6:45 vom Hostel abgeholt) war gigantisch. Keine Wolken und es war viel wärmer als zwischen all den Gletschern. Trotz der frühen Stunde konnte ich auch schon die ersten Leute springen sehen; das Flugzeug, aus dem gesprungen wurde, war kaum sichtbar.

 

 

Der Hanger sah nicht unbedingt größer aus, als der in Franz Josef, aber er war definitiv voller. Auch die Eingangshalle war sehr geschäftig. Leute von der Crew standen hinter den Schaltern und kommunizieren fast gleichzeitig mit Kunden und professionellen Springern. In einem Teil standen Computer, an denen die erste glücklichen bereits ihre Fotos und Videos anschauten. Um die ganzen Massen an Leuten einfacher bewältigen, war der check-in komplett elektronisch an Tablets in der Mitte der Halle. Nach einer kurzen Wartepause wurde auch schon mein Name aufgerufen. Zusammen mit fünf anderen bekam ich meinen Jumpsuit und meine Gurte, nachdem wir unsere Sachen in Spinten weggesperrt hatten.

Es gibt viele Fotos von Skyjumpern in der Luft, die Sachen auf ihren Händen stehen hatten und ich hatte mir auch in Franz Josef schon etwas derartiges überlegt, aber hier gehörten Handschuhe zur Ausrüstung, sodass ich die Fotos davon auf dem Boden machte (an der Wand hing übrigens eine Liste mit den Top Ten Sprüchen und unter anderem war dort „sorry mum“, „hello mum“, „Kia ora“ und „fuck me“ zu lesen). Man kann für seinen Sprung aus verschiedenen Kameraoptionen auswählen. Ich entschied mich für einen extra Kameramann, der mit mir und meinem Begleiter springen würde, damit ich auch tolle Panoramabilder mit mir drin haben würde. 

 

Wir stiegen als vorletzte in das Flugzeug ein. Es war alles ziemlich eng, mit mir waren noch fünf leute mit ihren ausgebildeten Begleitern und Kameramännern an Board, obwohl das Flugzeug von außen definitiv nicht so aussah, als ob wir da alle reinpassten. Bis jetzt waren mein Begleiter und ich noch nicht zusamnengegurtet. Als das Flugzeug abhob, konnten wir alle die wunderbare Aussicht genießen und dass Flugzeug flog auch in Kurven nach oben, sodass jeder alles sehen konnte. 

Auf 12000ft wurde die Tür das erste Mal geöffnet. Das Mädchen, dass als letzte eingestiegen war, durfte/musste natürlich auch als erste Springen. Da ich als zweite dran war, war ich sehr nah an der Öffnung dran und noch immer fühlte ich keine wirklich feste Verbindung zu meinem Begleiter, so dass ich mich ein bisschen am Fenster abstützte, um zu verhindern, dass ich aus Versehen rausfiel (natürlich eine vollkommen irrationale Angst, aber das Abstützen tat trotzdem gut).

Und plötzlich war das Mädchen und ihre Begleiter verschwunden. Einfach raus aus dem Flugzeug und nicht mehr zu sehen! Mein Kameramann schloss das Fenster wieder und es ging weiter rauf auf 15000ft. 

 

Als das Fenster das nächste Mal geöffnet wurde, war ich an der Reihe. Ich hatte zwar den ganzen Flug lang die Landschaft unter mir gesehen, doch als es auf die Kante zuging, wurde es schon etwas gruselig. Mein Kameramann verließ das Flugzeug als erster und kletterte zu einem Haltegriff am Rand des Fensters, um meinen Sprung zu filmen (ich weiss, er ist ein Profi, aber trotzdem, der hat Nerven). Inzwischen war ich anscheinend an meinen Begleiter gebunden, aber es fühlte sich nicht so an, denn ich spürte keinen besonderen Zug an den Gurten, und als er sich am die Kante setzte, saß ich plötzlich vor ihm - also gar nicht mehr im Flugzeug sondern draußen. Unter mir erstreckte sich die wundervolle Landschaft, die hohen Berge, die vielen quadratischen und kreisförmigen Felder und das schönste: Der Mataura River (der längste Fluss der Südinsel); umrandet von wunderschönem Grün, schlängelt sich der Fluss von einem Ende meines Sichtfeldes zum anderen.

 

Ein zwei Atemzüge, ein kurzes Nicken zwischen den zwei Profis, als Absprache, damit wir gemeinsam sprangen, und dann - der Sprung. 

 

Es war genau genommen kein wirkliches Springen. Ich hing ja eh schon aus dem Flugzeug und mein Begleiter kippte einfach nach vorne. Das nächste, das ich fühlte, war das Gefühl des Fallens. Aber als mein Tandembegleiter unsere Position mit einem kleinen Fallschirm stabilisiert hatte, war auch schon dieses Gefühl weg. Stattdessen gab es nur noch den unglaublichen Wind in meinem Gesicht. Für den Sprung hatte ich meine Hände am Gurt lassen sollen, jetzt war es schwer sie von dort zu lösen. Auch um tolle Gesten für die Kamera zu machen, musste man sich fast schon anstrengen.

Ich merkte dass ich geschrien haben musste. Nicht, weil ich mich hörte, sondern, weil ich meinen Mund immer noch offen hatte und der nun komplett ausgetrocknet war. Das tolle ist, außer dem Fotografen sieht man wirklich nur Landschaft; kein Flugzeug, kein Glas zwischen vor der Nase, sondern nur das Land unter einem.

Ein weiterer Grund warum es sich nicht wirklich wie Fallen anfühlte, war, dass der Boden nicht näher zu kommen schien. Alles war so unglaublich weit weg, da machten die ein zwei Kilometer mehr oder weniger irgendwie keinen Unterschied.

 

Mit einer Sprunghöhe von 4572m hatte ich ca. 1 Minute freien Fall, bevor unser Paragleiter geöffnet wurde. Ich kann nicht einmal sagen, ob es sich länger oder kürzer anfühlt – mein Zeitgefühl war komplett dahin. Was ich weiß ist, dass mit dem Öffnen mein Sicherheitsgefühl plötzlich verschwand. Statt über mir zu sein, war mein Begleiter nun hinter mir und der Paragleiter war an ihm befestigt. Das hieß für mich, dass, sollte irgendetwas passieren, ich schneller Fallen würde. Natürlich war alles total sicher, aber ich bin trotzdem froh, dass ich mich nicht für eine an meinem Begleiter befestigte GoPro entschieden habe, denn diese hätte dann meine nicht sehr geistreichen Sätze von dem Moment an aus aufgezeichnet. 

 

Mit dem offenen Paragleiter konnten wir jetzt auch unsere Fallrichtung steuern. Natürlich mussten wir auf einem bestimmten Feld landen, aber es sprach nichts dagegen, einfach ein bisschen in der Luft herum zu spielen und Kreisel zu drehen. Das alles aber auf ganz niedrigen Niveau, der Flug nach uns war nicht ganz ausgebucht, sodass ein paar der Crewmitglieder alleine gesprungen sind. Die Manöver sahen richtig cool aus! 

Das Landen war einfach, man streckt einfach die Beine nach vorne und nach ein paar Metern sanftem Gleiten über das Gras, sitze ich an einem wunderschönen Dienstag morgen auf einer Wiese und versuche zu realisieren, was gerade passiert ist...  

Ein paar Worte zu meinen super Begleitern, ein zwei letzte Fotos und ich taumel mit wackeligen Beinen zurück in den Hanger. 

 

Die anderen, die mit mir im Flugzeug waren, waren genauso fertig aber glücklich wie ich. Das eigentliche Gefühl ist hart zu beschreiben, aber wir sehen an den Gesichtern der anderen, dass wir es alle teilen. Nachdem wir unsere normalen Sachen wieder haben, können wir uns draußen entspannen, während wir auf die Fotos und Videos warteten. 

 

 

Ich nahm nicht das Shuttle zurück nach Wanaka, denn die Skydive-Organisation bot auch Shuttlebus von und nach Queenstown an, wo schon mein nächstes Hostel auf mich wartete. Es waren noch Plätze frei, sodass ich einfach nur noch etwas länger warten musste, bevor ich kostenlos zu meine nächsten Adresse kommen konnte! 

 

Während der Wartezeit bekam ich auch noch etwas ganz besonderes zu sehen. In der Eingangshalle standen plötzlich zwei asiatische Frauen mit Buchstaben-Luftballons. Zusammen bildeten Sie die Worte "will you marry me" und einen schönen Ring dahinter. 

Als das nächste Flugzeug abgehoben war, durften sie den Hangar betreten und von da aus auf die Landewiese gehen. Das Pärchen für das es gedacht war sprang aus dem selben Flugzeug. Der Mann rannte danach sofort zu den Luftballons, um seine Freundin zu empfangen, diese wurde aber erst durch ihren Begleiter darauf aufmerksam gemacht, dass das für sie war. Es war wirklich wirklich eine super schön rührende Szene und alle, die draußen warteten, verfolgten gespannt den einfallsreichen Antrag und das glückliche "Ja" 

 

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