Nach einem Burger-Mittagessen unternahmen Jemima und ich unsere zweite Tour des Tages. Wir gingen die vierzig minütige Strecke von Paihia zu den Waitangi Treaty Grounds. Hier wurde vor knapp zweihundert Jahren der Vertrag zwischen der britischen Krone und den Maori unterzeichnet, der Lanndbesitz und Unabhängigkeit Regeln sollte.
Wir hatten eine von einem Maori geführte Tour. Nach einer kleinen Einführung in die Aussprache der Maori-Begriffe, kamen wir zu einem riesigen maurischen Kriegskanu. In dieses Kanu passten über einhundert Leute. Außerdem wussten die naturverbundenen Maori schon, dass man mit einem mit Fischöl eingeriebenen Kanu schneller ist.
Die Tour war sehr interessant und unser Guide erzählte uns sehr unterhaltsam viel über die düstere Insel Russel im 18. Jahrhundert, wie Leute aus aller Welt kamen um hier Handel zu treiben, wie zwei Maori-Häuptlinge ein Jahr nach England reisen um deren Sprache und Technik zu lernen und wie sie schließlich mit einem selbstentwickelten Alphabet für Maori zurückkehrten, wie die Franzosen sich als Könige etablieren wollten, wie James Busby, ein Gesandter der britischen Krone durch die 'declarationof independence' verhinderte und den Maori die Möglichkeit einer eigenen Flagge gab (ein Kreuz mit vier Sternen für die vier Himmelsrichtungen aus denen die Leute nach Neuseeland kommen) und wie das schließlich der Grundstein für der Vertrag von Waitangi war.
Das Problem mit dem Vertrag ist, dass er in zwei Sprachen, englisch und maori, geschrieben ist, aber jeweils etwas anderes drin steht. Laut englischer Version sollten die Maori deren Autorität anerkennen, in der Maoriversion wurde die Häuptlingswürde wieder hergestellt und enthält ein Recht auf regionale Regierungen.
Kurzfristig eine friedliche Lösung, doch als die Städte der Siedler wuchsen, kollidierten die verschiedenen Ansichten. So kam es nur vier Jahre später zu dem ersten der insgesamt fünf großen Landkriege, in deren Verlauf die Maori mehr und mehr Land verloren. Noch bis heute klagen die Stämme Entschädigungen ein. Das Problem ist, dass die Regierung zwar zu monetären Auszahlungen bereit ist, weniger aber dazu tatsächlich Land zurück zu geben.
Der Höhepunkt der Tour war eine Vorführung einer Maori-Friedenszeremonie und anschließend eine musikalische Vorstellung im Verhandlungshaus der Maori.
Das Haus war der Wahnsinn. Es wurde mit der alten Technik der Maori geschnitzt und bildet einen menschlichen Körper mit Kopf, Armen, Beinen, Fingernägel, Herz und Lunge. An den Wänden sind überall Gesichter zu sehen. Sie stehen für die Häuptlinge, die den Frieden von Waitangi unterzeichnet haben. Ihre Augen sind mit Perlmutt verziert und sie strecken ihre Zungen heraus. Das ist ein Relikt aus der kannibalischen Zeit der Maori und sieht auch in echt eher furchterregend als lächerlich aus; es heißt soviel wie `du siehst lecker aus‘.
Auch die Musik war unglaublich, es war ein „Chor“ bestehend aus je vier Männern und Frauen, die mit unglaublich kräftigen Stimmen die Hütte füllten. Dazu die Tanzbewegungen und die furchteinflößenden Mienen! Die Stimmung war einzigartig. Die nächsten Lieder wurden von einem von Europa eingeführten und schnell in die Maori-Kultur etablierten Instrument begleitet - der Gitarre. Die Tanzbewegungen enthielten nun verschiedene Übungen um die Flexibilität und Geschicklichkeit der Krieger zu steigern.
Nach der Vorstellung hatten wir noch die Möglichkeit den Maori Fragen zu stellen.
Interessant war zum Beispiel, dass die alte Maori-Tattootechnik die Tattoos bis in die Knochen sticht. Wenn also nach vielen Jahren nur noch die Knochen eines Maori-Kriegers übrig sind, kann man immer noch an ihnen seinen Rang und seine Leistungen ablesen.
Auch die Stellung der Frau war ein Thema. Frauen waren den Männer ziemlich gleichgestellt, denn sie waren fähig, leben zu erschaffen! Sie konnten auch selber Häuptling werden und wenn zwei Maori unterschiedlicher Stämme heirateten, ging immer auch eine Transaktion bestimmter Landflächen einher.
Aber natürlich haben wir auch über die aktuelle Situation der Maori gesprochen. Auch wenn ich eigentlich das Gefühl hatte, dass die Kiwis ein bisschen stolz auf ihre Maori-Kultur sind, war anscheinend bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein die Rechtslage ziemlich schlecht, sogar die Ausübung der Kultur war verboten!
Ein weiteres Problem ist natürlich auch immer noch die unterschiedliche Auslegung des Vertrags. Vor Gericht zu gehen und zu klagen, sich also als eigentlich laut Vertrag freies Volk den offiziellen Regeln zu beugen, scheint der einzige Weg zu sein, die Streitigkeiten friedlich aus der Welt zu schaffen. Dazu kommt, dass die meisten Maori-Häuptlinge auch nur den in Maori verfassten part unterschrieben haben, also jeglichen Anspruch der Briten in deren Vertrag gar nicht zugestimmt haben.
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